Nachtrag 2020: Anfang des Jahres 2020 bekam ich spontan die Gelegenheit in einem Abendzug dem "Reemtsma-Mädel" Luisa Neubauer gegenüberzusitzen ("Reemtsma" soll hier im Kontext heissen: "aus traditionell gehobenerem Hamburg-Blankeneser Hause, durch einschlägige Medien öffentlich bekannt, mit gesellschafts- politisch gestaltendem Einfluss durch Netzwerkkontakte"). Und als ich ihr Gesicht in der Fensterscheibe vor dem Dunkel der Nacht wie in einem Traum spiegeln sah - sie ist so wunderschön, zum sich darin Verlieren - und dabei ihre reale, coole, physische Präsenz so ganz nah spürte, da dachte ich wieder an dieses Gedicht... dass ich es unbedingt mal wieder online setzen muss. Und natürlich assoziierte ich auch gleich wieder Yellos theatralisches "Night Train": "I'm riding the night train, the window's a mirror... I'm waiting for you... for years now I'm driven, a smile unforgiven.... the one...". Dieses Gedicht seit 2020 also nun als Hommage an "Strousberg-Tochter" Luisa Neubauer. :) Im Abendzug Seit Stunden schon. Im Abendzug. Gen Dämmerung. Die Fenstergläser halbsam Spiegel, reflektieren Sitzbezüge nach Lichtbrechungsregel. Die Jahre ziehen vorbei... Ich hab' Dich nie vergessen - wie ein Lächeln aus der Menge. Schon vorbei... So soll's denn sein: Ich reise allein. Hinter feurigem Vulkan. Fuhr nirgends ab, komm nirgends an. Auch nicht bei Verwandten. Ewig nur die Suche nach der grossen, einen Unbekannten. Unerschüttlich ist der Weg des Mat'rials. Unerrüttlich. Es braust, es saust, es klingt, es schwingt - allenfalls. Es singt? Ich lausch'. Rausch, rausch, rausch... Die Welt scheint geradewegs nur zu vergehen - aussen, da draussen -, die Fahrt im Zuge still zu stehen. Donner, rüttel, saus, saus, saus... Drähte, Häuser, Gärten. All die Schwellen durchs weite Land, geschaffen in den Jahren von arbeitssamer Menschenhand. Die Räder rollen seit Anbeginn von Industrie, Dampf und Kohle, Telegrafie... Stampf, donner, braus, saus, saus... Hab' Dich, Du Schönheit, nie vergessen - ich schwör's - bei Stahlross und Maschinentross, denn die Welt des Ingenieurs ist immer haargenau vermessen. Das Wasser kondensiert im heissen Bauch... Zisch, zisch, fauch... Eine Rohvision - ein Akt mit schwarzem Schlot und grauem Rauch - auf der Fabriken Amboss wiegt das Eisen und schlägt's auch den Takt der Produktion. In Glut und Staub und siedend heiss kennt niemand des Papieres Plan. Und selbst im Kollektiv niemand was genaues weiss. Nur ab und an, triefend nass vor Schweiss, hallt's mit schmiedend eis'ner Kraft in Hundertschaft: "Schneller, schneller - fire!" The worker's empire… Doch als Ehre hin und wieder - nach sengend langem Tageskampf - bewegen sich Maschinenglieder, quilt es feurig unter Dampf. Tag ein Tag aus - hinter gebranntem Ziegel, im grossen Backsteinhaus. Schwaches Licht durchs Fenster ölverschmiert, hindurch des Lebens Freiheit Sehnsucht schimmernd, kochen der Fabriken Tiegel. Der Stahl just flüssig generiert. Zum Siegel. Es ist müßig, ohne hinterherzuhinken, gar länger drüber nachzudenken. "So arbeit' Dich heraus..." Zisch, zisch, saus, saus, saus... Der Schienenstrang sich teilend in der Ferne schwindet, Leitung parallel sich windet. Längst der Abend neblig zieht auf weiter Flur. Der Zug er rast nach Hast und Uhr. Der Heizer Schicht um Schicht und Kohle schiebt... Gewiss...! Die junge Strousberg - in sie bin ich schon lang verliebt! Schöheit, wohlernährt mit rosig' Wange. Doch diese ausnahmslos verkehrt: in Borsigs Range. Es sind die Maschinen: Borsigs Werk und Strousberg legt die Netze, die ihr dienen. In die Welt. Gegen Geld. Bei Strousbergs pflegt, wie bei Borsigs, man statt der Arbeit, statt den Handel, allzeitlich den Lustwandel. In gemächlich Schritt durch Villenflügel - in feinem Taint (ein extra Schnitt) - von des Vierspänners Zügel, durch den Garten farbenreich, vorbei an der Fountain' im Wasserrosenteich, durch Bibliothek und Papageienhaus, bis hin auf die Terrassen. Zum Festschmaus. Ganz gelassen. Ein Poet liest ein Gedicht, ein Maler bannt auf Leinwand der Familie Gesicht. Industrie und Mechanismen, Vernetzung in die Weiten. Charlie Chaplin: "Moderne Zeiten". Donner, donner, braus... Durch dämmernd, schwindend Busch und Baum, im Gemüsch so nebenher, nehmen sich die Felder fliegend Raum. Die Sonne tief und rot - ein Abendtraum. Viel Gebüsch und ein Wald kommt in die Quer. Sunset in the afternoon… I wish I were: A railroad-tycoon! Yeah - your only one, your one and only railroad-tycoon… Donner donner, zisch, zisch, zisch... Im Nachtzug fahre ich. Die Fenster sind ganz Spiegel nun, bin seit Jahren unterwegs - am in die Lande schauen. Würde sie mein Lächeln denn erwiedern? Mit schüchternen Auglidern? Würd' sie sich trauen? Ja, bestimmt, sie würd's verstehen... Huschend Lichter - kam's von Schranken? Ich seh' Dich vor mir in Gedanken und im Geiste edel zu mir 'rübersehen. Hast all die Zeit gar neben mir verbracht Warst bereit. Ich werd' Dich nie vergessen! in Andacht! Hab' "Dir und Dich", verehrt, begehrt. Du bist für mich: Die einzig Eine! Doch die Müdigkeit der Reise - ich muss gestehen - in dieser Weise - schwind' mir der Sinn, und hab' im Grund' vergessen, wer und wo ich bin und wen ich eigentlich meine... Das Abteil ist leer, die Nacht noch mehr... Durchs offene Fenster verjag' ich Reflektions-Gespenster und ruf' in Richtung Schlusslaterne: "Sei gegrüsst mein Engel der Ferne --- !" Braus, braus, zisch, zisch saus...
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