.
.
..........Bemalte Schaltkästen in Bremen 1992..........
.
Seite 1
.
.
Beitrag und Werbung für die CD-ROM im
Bremer Anzeiger vom 12. Dez. 1998
Das waren noch Zeiten...

... als man die Schalt- / Verteilerkästen von
Ampelsteuerungen und Stromanschlüssen
als mit die größte ästhetische Zumutung in
gesamtstädtebaulicher Urbanität empfand!

Besonders in diesem tonlosen, lieblosen,
ja oft sogar leicht schmuddelig wirkenden
Einheitsgrau! Man bedenke ---

Da musste also dringend was getan werden!
Land und Leute wurden mobilisiert um in
Hundertschaften mit dem Farbeimer auszu-
rücken.

So wundert man sich heute, womit die Leute
damals ihre Zeit verbracht haben und vor
allem in welch heiler, heiler Welt man Ende
der 80er Jahre noch zu leben meinte - worin
der "Trostlosigkeit" eines  grauen Quadrat-
meters unbedingt zu Leibe gerückt werden 
musste. Und man nutzte oftmals die Chance,
seine individuelle Gestaltungsfläche gleich
als Träger für Botschaften zu verwenden, die
das drohende Ende einer verseuchten Welt
anmahnten. Bürgerprotest äußerte sich so
mittels öffentlichem Ölbild.

Originell war und ist die Aktion natürlich!
Sie passte auch in das, in Bremen langjährig
erprobte Programm "Kunst im öffentlichen
Raum", zu dem auch die vielen Bremer
Wandbilder und Skulpturen gehören.

  Das Ganze ist auch heute noch ein alljährlicher Wettbewerb mit Preisverleihung. Unterstützt
  und mitgesponsort von den Bremer Stadtwerken. Dieses Bemalen von Schaltkästen erfreute
  sich hoher Popularität und wurde, seit seiner Gründung 1986, bis Mitte der 90er Jahre - in
  einer Zeit ohne Internet - zum zum regelrechten Volkssport. 
  Nicht nur Kitas oder Grundschulklassen nahmen im Rahmen und Namen der Pädagogik
  daran Teil, sondern auch viele reine Privatleute. Teils sogar aus geschäftlichen Interessen,
  den Platz vor ihrem Ladenlokal aufzuwerten. Auch achte Gymnasialklassen entwickelten
  innerhalb des Kunstunterrichts (der Autor weiß wovon er spricht) mehrere Entwürfe. Zunächst
  als grobe 1:1 Vorzeichnung, um dann die besten Ideen auszusuchen und dann auf die, der
  Schule und Klasse zugewiesenen, Kästen zu bringen. Die Frage war also nicht "ob" man
  etwas mit der Schaltkastenbemalung zu tun bekommen würde, sodern nur "wann".
  Ebenso eine Frage der Zeit, wann in der Nachbarschaft stehende, noch graue Kästen, ein
  Motiv erhalten würden.

  Und als unmittelbar in meiner Nachbarschaft im Jahre 1992 ein Kasten gerade Farbe bekam, 
  da entschloss ich mich die beiden Mädchen in Aktion zu fotografieren sowie all diese Kästen-
  bilder überhaupt fotografisch festzuhalten. Soweit sie im Jahre 1992 aus der Anfangszeit von
  1986 bis eben zum Herbst 1992 noch vorhanden waren. Viele Motive wurden übrigens auch
  nach ein paar Jahren wieder restauriert.

  Cornelia und Sonja bemalen hier in der Wachmannstrasse den später auch preisgekrönten
  "Elefantenkasten". Das "Feuerwehrauto" weiter Richtung Stern erschufen die beiden
  ebenfalls, ist jedoch lange nach meiner fotografischen Dokumentation entstanden.


.

.
   Seither ist die Bemalung wohl eher wieder ein reines Thema der Kitas und Grundschulen
   geworden - die Erwachsenen werden mittlerweile von anderen Sorgen kultureller und öko-
   nomischer Stadtentwicklung geplagt und "ältere Kinder" betätigen sich kreativ privat oder
   kommunal projektorientiert mit Medien oder / und im Web.

   Eines haben die vielen bunten Bilder ganz klar positiv bewirkt oder/und tun es noch heute:
   Sie sind eine sympathische Identifikation mit dem öffentlichen Raum, zugleich mit hohem 
   Wiedererkennungswert im Stadtbild. Mit jedem Bild entsteht ein Blickpunkt und ein kleines
   Highlight in der Straße, in der es sich befindet, und prägt damit auch ihren Charakter ganz
   zweckfrei und individuell und längerfristig, also ganz im Gegensatz zu Werbeplakaten. 
   Die Schaltkastenbilder waren / sind, wenn man es so nennen will, tatsächlich ein Stück 
   "authentische Urbanität".
   Auch andere Städte folgten dem Bremer Vorbild. Es war sozusagen ein Vorläufer des heute
   ähnlichen Städtemarketings mit den grellbunten Skulpturen von Bären, Pferden, Stieren,
   Drachen, u.s.w.

   Heute gibt man sich auf Bremer Kästen, statt umweltpolitisch oder surreal, wieder mehr
   puristisch, stilistisch oder gar kirchlich, vor allem aber werteorientiert - wie dieser Link und
   die sechs Bilder beweisen: http://view.stern.de/v2/series/33936/?
 

.
   So fuhr ich also mit meinem Fiat-Panda fast sämtliche Bremer Straßen ab. Um zu erfassen,
   wo ich schon gewesen war, hatte ich immer eine Videokamera laufen, die dazu diente die
   Route nachzuvollziehen. (Aufnahmen waren allerdings komplett unbrauchbar - zu vibriert, oft
   an/aus, etc.). Zuhause malte ich dann mit Filzstift die entsprechenden Straßen in einem
   Stadtplan aus.

Und los geht es  mit unserer Tour zu den Kästen, wie sie sich vom Juli bis Oktober 1992
im Bremer Stadtbild präsentierten:     Nächste Seite > 
.