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Persönliche Eindrücke meiner damaligen "Ost-Reise" /
Umstände des 8. Januars 1990
Obwohl schon im November '89 die Mauer fiel, war
die DDR bis zum 3. Oktober 1990 dennoch ein eigener
Staat. Und es war nun - zum ersten Mal in der
Geschichte der DDR - einfacher für DDR-Bürger in den
Westen zu reisen, als für West-Bürger in den Osten!
Als Westdeutscher - also mit westdeutschem Pass -
konnte man zu Mauerzeiten von Westberlin aus
jederzeit spontan nach Ostberlin einreisen. Für
25,- Mark Eintritt, man durfte sich aber nur bis
24:00 Uhr des gleichen Tages innerhalb der
Stadtgrenzen Ostberlins bewegen. Der
umgangssprachliche Begriff "Eintritt" resultierte
aus dem Umtauschzwang von mindestens 25 DM West in
25 DM Ost. Bei der Ausreise wurde nichts
zurückgewechselt, auch mitnehmen durfte man kein
Restgeld. Man musste es also während des
Aufenthaltes zwangsweise ausgeben, wenn man einen
Nutzen davon haben wollte. Der Umtauschzwang wurde
immerhin am 24.12.1989
abgeschafft, andererseits galt er eben noch bis
zu jenem Tag für die, in die DDR einreisenden
Westbürger, trotz freizügiger Maueröffnung
bereits am 9.Nov.'89.
Als Westberliner - also als Inhaber eines sog.
"Behelfsmässigen Personalausweises" - durfte man bis
zur Wende gar nicht nach Ostberlin
einreisen! Bzw. nur mittels langwöchigen
Visa-Anträgen. Der Vorteil Westberliner zu sein, lag
aber immerhin darin, als junger Mann nicht vom
Wehrdienst erfasst zu werden! Ein Berliner brauchte
also weder Zivil- noch Wehrpflicht ableisten, da die
Berliner aufgrund ihres Sonderstatus schlicht nicht
erfasst wurden.
So hatte ich nun seit etwa 1987 meine Meldeadresse
und 1.Wohnsitz in Berlin. Als in der Schule im Jahr
1988 es in der 9. Klasse so langsam unter den Jungs
Thema wurde, ob man Zivi machen wollte, oder Dienst,
da beneidete mich natürlich so mancher ob meines
Desinteresses an jenrm Thema. Dann fiel 1989 die
Mauer...natürlich...war ja nicht anders zu
erwarten...logisch...war ja klar...!! Nun wurde also
auch ich erfasst, die Anderen konnten "ätsch" sagen.
Jedenfalls hatte ich nun also im Januar 1990 einen
westberliner Ausweis - und wollte jetzt mal rüber.
Ich wusste nicht, ob das mit dem Ausweis-Unterschied
zwischen Wessi und Berliner noch galt. Aber das war
kein Problem mehr. Immerhin war ich 1984 schon mal
mit meiner Mutter drüben gewesen, kannte mich also
ein ganz klein wenig aus, dennoch war mir mit 16
durchaus etwas mulmig, in ein so fremdes
Mangelwirtschaft-Land einzureisen, in dem bisher
noch Menschen überall gegängelt, eingesperrt und
erschossen wurden...
Ich wählte den Übergang "S-Bahnhof
Friedrichstrasse" (nicht alle neuen Übergänge waren
derzeit auch für Wessis, bzw. für West-nach-Ost
offen).
Erst dachte ich, ich komme locker durch, wenn ich
versuche einen fröhlichen, sozialistischen Eindruck
zu machen... und am Anfang lief auch alles noch gut.
Dann winkte mich in irgend einem der ganzen
Zwischen- und Verbindungsgänge der Übergangsstelle
plötzlich ein Grenzposten raus, brachte mich eine
karge Kabine und nach einer Weile, in der erst mal
gar nichts passierte und sich niemand um mich
kümmerte, wurde ich dann durchsucht und befragt: Warum
ich einreisen will, was ich vorhabe dort zu
machen - vor allem wegen der
Videokamera. Kurze Antworten meinerseits - und die
Wende zwei Monate vorher sprach ja nun auch durchaus
etwas für meine Meinung und Ansichten der
Dinge!
Dennoch wurden meine 8-mm Tapes mitgenommen und
angeschaut, was drauf war. Ich wunderte mich, dass
die überhaupt schon Abspielgeräte für dieses
Sony-System besassen! Vielleicht hatten sie auch gar
keins und taten nur so. Gleichzeitig hoffte ich,
dass da nichts "Unanständiges" drauf war, denn meine
Aufnahmekassetten waren selten leer, sondern
zuhause vorher meist lange im Einsatz bei
TV-Aufnahmen und allerlei Cam- und
Kopierexperimenten. Die eine war glücklicher
Weise leer, weil neu, auf der anderen befand sich
ein Peanuts-Spielfilm, den ich mir an den
Weihnachtsfeiertagen aus einem Privatsender
aufgenommen und angeschaut hatte. Der Grenzer
fragte, nachdem er wiederkam: "Kabelfernsehen,
was??" Ich entgegnete: "Joa, hamm wa alle!" Er:
"Alle??" Ich: "Ja, fast überall zu kriegen, kommt
bestimmt bald auch hier an".
Der Grenzer bekam euphorische Augen - und nachdem
dann noch meine Taschentücherpackung zum Röntgen (!)
gebracht wurde, gestatte man mir endlich einzureisen
ins Land der äusserst unbegrenzten
Möglichkeiten...
Es erwartete mich ein Stadtbild in durchgesättigtem
und alles ganz und gar übergreifendem GRAU!
Freches, monotones Steingrau wechselte zu beruhigend
kahlem Zementgrau, hin und wieder gar zu
nachdenklichem Aschgrau. Die Luft hingegen farbig
durchmischt mit noch morgendlichem Schwefelgelb, mit
flockigem Braunkohle-Ocker und nicht selten dazu mit
poetisch hingetupftem Zweitakt-Abgas-Blau, sich am
gleichmässig geschwärzten Anthrazit der Fassaden
kontrastreich abhebend...
Glücklicher Weise ist die Zeit jener Apokalypse 20
Jahre vorbei! Und wenn erstmal die Autos alle
elektrisch fahren, ja wenn sogar vom Blätterpuster
bis zum LKW alles elektrisch betrieben wird, wenn
auch die Schornsteine der Häuserheizungen nicht mehr
qualmen, weil deren Wärme nicht mehr durch fossile
Brennstoffe, sondern durch regenerativen Strom, d.h.
besser natürlich durch Kernkraft, am allerbesten
durch Kernfusion, erzeugt wird, dann, ja dann
bekommen wir bald eine Luftqualität nahezu wie in
Lappland! Schon heute ist in Deutschland die
Luft und Sicht deutlich aufgeklart, gegenüber den
70er bis 80er Jahren, wie ich zu beobachten meine.
Ist ja auch logisch - der Schadstoffausstoss des
damaligen komplett sozialistisch-verwarlosten
Ost-Europas, oder eben überhaupt nur der Ausstoss
von ungefilterten Automotoren als solchen, war
ja nicht mehr feierlich.
Jedenfalls denke ich noch heute, in Anbetracht von
DDR- (und natürlich auch Kriegs-) Aufnahmen:
Wie schafft man es nur, ein Land samt Ökosystem,
samt Grundversorgung und Kultur, ja samt der Würde
der Menschen so herunterzuwirtschaften!?
Erstrebenswert, es nicht wieder soweit kommen zu
lassen! Nachtrag 2011: Es scheint heute, im Jahre
2011 durchaus wohl leider wieder im Bereich des
Möglichen zu liegen, dass es in einzelnen Ländern
oder Kulturkreisen wieder zur Herunterwirtschaftung
einstiger zivilisatorischer Errungenschaften
kommt... Nochmals Nachtrag im Jahre 2021:
Tatsächlich wird immer mehr deutlich: Den
planwirtschaftlichen Verbots-Sozialismus in seinem
grün-roten Lauf, halten weder Ochs noch Esel - und
hält leider auch sonst niemand auf! :(
Eigentlich wollte ich noch mehr Linien im Osten
aufnehmen, hatte aber wegen der Grenzkontrolle und
dem Braunkohle-Siff dann doch die Schnauze voll -
ausserdem hatte ich ja noch Schule in Bremen, war
also allenfalls jeweils nur ein paar Ferientage in
Berlin - und dann hatte ich ja meist schon im Westen
was Anderes vor.
Jedenfalls hätte ich besser an einem der neu
eröffneten Grenzübergänge einreisen sollen, nicht an
einem der alten Garde. Verwandte und Bekannte, denen
ich daraufhin mein Grenzerlebnis erzählte - und die
ebenfalls kurz nach der Öffnung schon drüben waren -
wunderten sich, dass teils doch noch so streng
kontrolliert wurde und empfahlen mir, wenn, dann
woanders rüber zu gehen... Und heute, 2021, ist es
keinesfalls mehr so sicher, dass man z.B. als
Berliner einfach so jederzeit nach Brandenburg
einreisen darf oder nach Niedersachsen oder nach
Bayern oder auch nur sonstwohin (andersherum
sozialistisch hereinkommen und sich niederlassern
darf natürlich jeder jederzeit aus der ganzen Welt -
wer sind wir, das nicht zu gestatten), denn
irgendwas wird es schon geben, was das Verbot
rechtfertigt: Viren, Klima - oder was auch immer!
Wie sang man Anfang der 80er so treffend: "Keine
Atempause, Geschichte wird gemacht, ES GEHT
VORAN!!!" Na dann! Schaun mer mal...
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