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Zur Restaurierung des Bischofstor-Fotos von etwa 1900
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Aus einem zeitgenössischen Bremer Privatalbum
mit dem Titel 1898 - 1908
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Das Album umfasst u.a. 14 Aufnahmen aus Bremen. Der genaue Autor ist unbekannt, lebte aber wohl in
Bremen in der Herderstr. im "Viertel".

Acht Abzüge messen 12,5  x 16,5 cm,  die restlichen haben das Format 9 x 12 cm.
Die Hälfte der Bilder zeigt - leider - Motive und Perspektiven exakt synchron zu den damals typischen
Postkartenmotiven und sind daher nicht besonders spektakulär selten. Dieses Bischofstor-Bild ist eines,
das individueller und untypischer, und daher - aus heutiger Sicht - interessanter ist. 
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Restaurierung-Foto-Bischofstor-01
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Zunächst einmal wird das Bild natürlich gescannt. Dieses ist eines von vier 9x12-Bildern, die sich auf einer
Albumseite zugleich befinden, die DinA4 hat. 

Mir macht das Restaurieren alter Bilder viel Spass, auch wenn es manchmal sehr mühselig und ermüdend ist!
Mit meiner Arbeit kann ich dem damaligen Fotografen nahe sein... denn der Fotograf hätte ja auch ich selber 
sein können... nur eben in einer anderen Zeit, in einer anderen Rolle, in einer anderen Geschichte...
Das Wissen darum, wieviel Arbeit es machte, damals den grossen Holzkasten mit den Bildplatten
mitzuschleppen, umständlich aufzubauen, um eine Stimmung, vielleicht sogar ein persönliches Gefühl
einzufangen und zu versuchen, dieses für die Nachwelt zu erhalten. Um es an einen späteren, unbekannten
Betrachter zu vermitteln und zu zeigen: "Seht, ich war heute hier, an dem und dem Ort, und möchte meine Ein-
drücke wie eine Flaschenpost ins weite Meer der Geschichte werfen, auf dass sie jemand eines Tages finden
wird..."
Das ist das Schöne an der individuellen Kunst, die durch das Bedürfnis eines persönlichen Ausdrucks entsteht,
egal ob Literatur, Malerei oder Fotografie...
Diesen Moment kann ich nun finden, erkennen, würdigen und die Arbeit daran fortführen. Bestimmt würde es
dem damaligen Fotografen eine Ehre und Freude sein, dass sich seinem Bild auch 110 Jahre nach dessen
Entstehung jemand annimmt, es ausgiebig betrachtet und es aufarbeitet - da bin ich mir sicher.  :-)

Niemals jedoch hätte er wohl geahnt, dass man sein Bild sogar digital wird "scannen" und "nachbearbeiten"
wird können, ja überhaupt nur auf einem "selbstleuchtenden Fenster" ausserhalb jedes papierenen
Materialismus wird darstellen können...

Zum anderen steigert es das Selbstwertgfühl, durch eigenen Arbeitseinsatz und eigene Kreativität ein Werk in
aufgewerteter, restaurierter Form präsentieren zu können! Denn z.B. historische Postkartenmotive allein
quantitativ zu sammeln, bedeutet zwar auch schon langewierige Sucherei nach seltenen Objekten, kann aber
letztlich jeder, der bereit ist entsprechendes Geld dafür zu zahlen.
Eine Restaurierung hingegen bedarf zusätzlicher, individueller Kreativität und viel Zeit und Geduld allein für ein
einziges Bild!
Solcherlei vergammeltes Originalmaterial ist dann auch vergleichsweise so preiswert, dass einem die
Verkäufer regelrecht leid tun können...
Es ist halt wie bei einem Oldtimer-Autowrack, das man nach Jahrzehnten aus einer Scheune befreit und
eigenständig in vielen Stunden hingebungsvoller Feinarbeit wieder instandsetzt und dem guten Stück neues
Leben einhaucht. Die erste Ausfahrt ist dann natürlich umso erfüllender, umso sinnlicher. 
 

Restaurierung-Foto-Bischofstor-02

Als nächster Schritt wird das gescannte Bild nun gedreht.
Der Scan allein und als solcher zeigt übrigens schon das Bild x-mal besser, klarer und grösser, als es über-
haupt im Original betrachtet werden könnte. Der pure Scan ergibt also schon eine deutliche Aufwertung des
Bildes - und für Puristen mag auch die 1:1 Darstellung des vorgefundenen Materials dessen zeitgenössische 
Authentizität auf diese Weise am besten vermitteln - ich mag es, aus dem Bild noch das Meistmögliche an
Realismus oder / und Stimmung rauszuholen.
Beim Zuschneiden, nach dem Drehen, fällt natürlich etwas Bildinformation an den Randbereichen weg, aber
das ist mir ein gerader Horizont wert. Zumal ich die Bischofstor-Ecke kenne und sie nicht auf die Weise
abschüssig oder hügelig ist. Der Fotograf mag sich an der Senkrechten der Laterne orientiert haben, ich
sehe den Denkmalsockel, der kaum schief gestanden haben wird, als massgeblich für die Senkrechte an.

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Restaurierung-Foto-Bischofstor-03

Als nächtes wird das Bild geputzt. Das kann in der original Grösse mehrere Stunden in Anspruch nehmen!
Man sollte das Bild in möglichst hoher Pixel-Dimension gescannt haben und ebenso in dieser Grösse auch
bearbeiten, zumindest vom Staub befreien, denn je detaillierter die Korrekturen, desto mehr bleibt die Gesamt-
struktur, bleiben die Originaldetails erhalten. Ausserdem hat man das Bild dann sauber in dem grösserem
Darstellungs-Format, was zur Archivierung und ggf. für spätere Anwendungen sinnvoll ist, bzw. sein kann.
Quadratzentimeter für Quadratzentimeter wird nun also der weisse Staub (bei Dias ist es schwarzer) wegge-
schmiert. Über grössere Partien, wie die Knicke, werden intakte, ähnliche Partien rüberkopiert und deren
unpassende Randbereiche und Kanten mit der Umgebung verschmiert.

In wieweit die allerneuste und teuerste Scannergeneration den Staub automatisch wegmachen kann, weiss
ich nicht, allerdings stösst das so oder so an Grenzen, spätenstens dann, wenn der Staub eben nicht mehr
physisch auf der Scanvorlage aufliegt, sondern sich schon als Flecken auf dem Abzug befindet. Ab einem
bestimmen Punkt / Schwellenwert kann die Software natürlich nicht mehr zwischen Motiv und Staub unter-
scheiden. Auch beim manuellen Putzen kann es sein, dass man eine weit entfernte Ente auf einem See weg-
wischt, die sich eben nur noch als kleiner schwarzer Fleck (auf Dias) bemerkbar machte, oder eín Stück 
Papier, was auf dem Boden liegt, für Staub hält. Oder ein Stück abgeblätterte Baumrinde, eine extreme
punktuelle Sonnenreflektion, o.ä. Lichtpunkt- und Schattenerscheinungen, u.s.w.

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Restaurierung-Foto-Bishofstor-Staub-01

Restaurierung-Foto-Bischofstor-Staub-02

Zwei Staub- und Kratzerbereiche in Originalgrösse.
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Restaurierung-Foto-Bischofstor-04

Nachdem das Bild nun, mehr oder weniger, "blitzblank" ist, kann man, nach subjektivem Empfinden, den
schwarz-weiss-Wert einstellen. Die Farbe einfach zu 100% rauszunehmen, ist wenig sinnvoll, denn dadurch
wird das Bild meist völlig bleich und aschfahl. Mit etwas Tönung des Graus behält das Bild noch Ausdruck!
Je brauner wiederum, desto nostalgischer und vergilbter wirkt es. Je bläulicher, desto mehr sieht es nach
kühlem Zeitungsdruck aus, u.s.w.
Oben ist jetzt der Braunton raus. Aber es ist immer noch sehr matt. Die auf der gilben Version dunkleren
Randbereiche links und rechts, die jeweils etwa 1/4 der Bildbreite ausmachen, habe ich vorher schon in
mehreren Markierungsschritten aufgehellt.

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Restaurierung-Foto-Bischofstor-05

Jetzt verstärke ich den Kontrast insgesamt, bearbeite aber auch noch verbliebene oder neu entstandene,
partielle Helligkeitsunterschiede, wie z.B. immer noch in Resten die Randbreiche, oder hell-dunkel-Wellen
und Schlieren inmitten des Bildes.
Ich gebe auch etwas Schärfe rein, wobei man hier nur im Schwarzbereich schärfen sollte (wenn das Foto-
programm diese Option anbietet), da sonst der weisse Griesel bei der Schärfung unnötig übersteuert.

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85 - Restauriertes Foto aus Album - Bischofstor
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In der letzten Phase geht es hauptsächlich um die einzelnen Objekte auf dem Motiv selbst.
Ich koloriere, sozusagen, das Bild nach. Wohl ähnlich wie die alten Meister der Kolorierung von s/w-Bildern
um 1900 es taten.
Den Denkmalsockel schwärze ich etwas und versuche auch diese beiden sichtbaren Seiten des vierseitigen
Blocks etwas kontrastreicher voneinder zu trennen. Ebenso dunkle ich den Baumstamm rechts etwas ab.

Am markantesten ist der Baum in der Mitte, den ich in möglichst detailreich in seiner Zweigstruktur markiere,
nocheinmal Kontrast zugebe und dann ins Bläuliche setze, gegenüber den Hintergrund-Baumbereichen,
denen ich einen Touch rötlich-braun gebe. Auch kann man so in weiterem Hintergrund die Entfernungsebenen
etwas voneinander abgrenzen. Die Bäume links hinter dem Sockel habe ich, gegenüber denen, die noch
dahinter liegen und hier die weiteste Entfernung darstellen, ganz leicht anders eingefärbt.

Die Laterne wird wohl im Original weiss oder grün gewesen sein. Zumindest grau. Der Sockel ist ganz klar
dunkler als der Mast. So habe ich den Mast samt Lampe grünlicher gezeichnet und im Kontrast wiederum
vom Baum abgesetzt. Auch der gesamte Baum rechts ist noch, entsprechend dem Baum zuvor, bearbeitet.
Die Kiste (oder Strohballen?) etwas heller, was helles Holz, bzw das Stroh suggeriert.

Den Mantel der Person etwas dunkler und damit kontrastreicher, der Schirm wird wohl damals kaum in
Kitty-Pink gewesen sein, auch nicht quitschgrün, oder neongelb - er war sicher matt. Wie es ausschaut auch
nicht weiss, aber auch nicht pechschwarz. Nehmen wir mal an, irgend so ein dickes Stoffgewebe in einem
Khaki- bis Olivgrün gehalten.
Zum Schluss habe ich noch den oberen Himmelsbereich "entschärft", also softer gesetzt.

Mir gefällt das Ergebnis - bin damit sehr zufrieden!  :-)

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